Ich bezeichne mich als diplomierte Kampfpendlerin weil ich seit über zehn Jahren mit ÖV zur Arbeit fahre. Als solche erlebe ich vieles, lustiges und trauriges, sinnvolles und sinnloses. Und das möchte ich teilen, mit Freunden und Fremden, mit grossen und kleinen Menschen, mit Leuten aus der Nähe und Leuten aus der Ferne. Frohes Lesen

Donnerstag, 20. März 2014

Von blauäugigen Schwarzfahrern

Wer kennt das nicht. Man sitzt schon seit einigen Minuten im Zug, bestaunt die Landschaft, liest ein Buch oder beschäftigt sich sonst irgendwie. Dann die Stimme: "Aui Billet vorwiese". Nun gibt es hier zwei Typen von Passagieren. Die einen beginnen zu "nusche", dies sind vornehmlich Frauen mit riesigen Handtaschen oder Rücksäcken oder gar mehreren Gepäckstücken. Dann gibt es diejenigen, die das Ticket seit Zugabfahrt zur Hand haben und es subito vorweisen können. Ich, und die geneigte Leserschaft, wird mir zustimmen, gehöre keiner Kategorie an. Ein Griff in den Rucksack oder die Tasche, et voilà. Und dann gibt es noch solche, die kein Ticket haben. Vergessen oder mit Absicht?
Auf jeden Fall, gestern Abend im Zug von Luzern nach Olten, mit Zwischenhalt in Sursee und Zofingen, sitzt ein jüngerer Mann, der in Sursee zugestiegen ist. Der freundliche Uniformierte erkundigt sich nach dem Ticket. "Ich arbeite bei der SBB, habe aber die Ausweise zu Hause vergessen." Vorgetragen in der Hoffnung, dass sein Kollege ihn laufen lässt. Kannst du vergessen, die Personalien werden notiert, das ganze Programm. Aber jetzt kommt das Beste: Der junge Mann wird abgemahnt, von wegen er arbeite bei der SBB und müsse Vorbild sein und er hätte proaktiv auf den Kontrolleur zugehen müssen, und diese Busse müsse nun bezahlt werden, von wegen Sonderbehandlung und so weiter. Dabei hatte ich nicht das Gefühl, dass der Beamte das demonstrativ machte.

Nun muss ich gestehen, dass ich vor gut einem Jahr des öftern schwarz gefahren bin. Dies aber unabsichtlich und  mit einem Happy End. Ich arbeitete damals temporär in Bern, "inetöggele" ohne Ende. Wenn ich den Bus nahm, fuhr ich bis Bremgarten Friedhof. Nun gibt es die roten Busse und die gelben Postautos. Am Morgen fuhr ich meistens mit dem roten Bus der Bernischen Verkehrsbetriebe. Am Abend stand manchmal ein Postauto wie bestellt für mich da. Also stieg ich in das gelbe Fahrzeug. An einem kalten Dezemberabend fuhr ich mit dem roten Bus zurück. Dann die Durchsage: "Ticketkontrolle bei der nächsten Station". Okay, kein Problem für mich, ich steige aus, weise mein Monatsabo "Olten - Bern, Bremgarten Friedhof" dem Kontrolleur vor. "Das ist nicht gültig in den BVB-Bussen, nur für das Postauto." Ich schaue den Mann perplex an, fange an zu rechnen, was das kostet. "Ächt? Ich bi öppedie mit em rote Bus gfahre. Was chostet das jetz?" "Jä, wie mängisch de?" "Weiss ou nümme, hüfig." Mir wird bang und bänger. "Jo, das wüsse vöu Lüt ned. Lömmer's guet si." Ich arbeitete noch bis Mai für das Inselspital. Und weil die Postautos am Morgen blöd zu erreichen waren, ging ich ab dem Tag fast täglich zu Fuss an die Güterstrasse und zurück. Wobei vor allem der Rückweg nur einfach gut tat, weil über acht Stunden in den Bildschirm starren und Bestellungen "inetöggele" da tut frische Luft mehr als nur gut.

Mittwoch, 19. März 2014

Einem Stammkunden gewidmet

Ich habe schon des öftern über den Sportexperten aus dem Baselbiet berichtet. Nun habe ich einen neuen Stammkunden zu vermelden. Er steigt in Zofingen ein und das tägliche Ritual beginnt. Er nimmt das Notebook aus der Tasche, legt es auf den Sitz. Die Tasche wandert unter den Stuhl. Dann schneuzt er sich die Nase, zerknüllt das Tuch und versorgt es mit spitzen Fingern im Abfallkorb. Der Mantel wird auf die Gepäckanlage gelegt. Notebook starten, in der Zwischenzeit liest er die Zeitung. Dann beginnt er Mails zu lesen und zu beantworten. Und, lieber S.Z., es tut mir leid. Ich kann es mir manchmal nicht verkneifen, Ihre Korrespondenz mitzulesen. Wie magisch angezogen bin ich von Ihren Reservationen für die Metzgete im nächsten Januar (!!) oder von Ihren Kommentaren zu einer Analyse Ihres Kollegen. Ich verrate hier nicht, für welches schweizerische Grossunternehmen Sie arbeiten. Aber weiter mit den Ritualen: bis kurz vor Luzern wird reserviert und kommentiert, es wird geschrieben wie getrieben. Keine Minute Rast, keine Zeit um die Sonne über dem Sempachersee zu bestaunen. Kurz vor Luzern wird das Notebook versorgt und eine Scheibe Brot aus einem Plastikbeutel genommen, während des Aussteigens wird diese ganz schnell verdrückt. Der Mann tut mir leid, denn ich bin überzeugt, dass am Abend ein ähnliches Ritual stattfindet.
Ich nehme mir am Morgen Zeit, ein Buch zu lesen, die Nebelschwaden bei Willisau zu bestaunen oder einfach, mit Sonnenbrille bewaffnet, den Anblick des Sempachersees zu geniessen. Und am Abend, ja am Abend, nehme ich mir Zeit für:


ok.-

(Kiosk AG, 4.9%)

 
Für einen Pendler geht nichts, aber auch gar nichts über ein kühles Fürobebierli. Am Besten geniesst sich dieses natürlich im Spiswägeli. Die geübte Kampfpendlerin weiss auch ganz genau, wo sie aneschtoh muess. Im Bahnhof Luzern, Gleis 7, Abfahrt des Zuges ist genau auf der Höhe des Warthüslis. Was macht Kampfpendlerin aber, wenn Kohle knapp, die Dose Eichhof kostet schliesslich sächs Schtutz im Spiswägeli. Nun denn, für was gibt es Kioske, wenn nicht zum gänggerle und tünterle? Also, aschtoh in der Schlange, eine Dose Kioskbier in der Hand. Zwöi Franke füfzg sind genau abgezählt. Noch rasch den Brief, den man vom Aute in die Hand gedrückt bekommen hat, i Briefchaste eingeworfen. Und schon fährt der Zug ein, alle loh usschtige, einen Platz am Fenster erobert und noch rasch eine Geschichte für BRUDW i Compi ghacket. Und dann, ein erster Schluck, chüeu ond frisch rünnets d’Schpisröhre abe. Proscht.


Das sollte dieser S.Z. auch mal tun. Der Text stammt übrigens aus einem Projekt, dem BRUDW-Projekt. Bier Rund Um Die Welt-Projekt. Ich bin in Zofingen im Ox auf die Idee gekommen. Dort kann man Biere aus aller Herren Damenländer geniessen. Das Projekt wird so schnell nicht abgeschlossen sein, zu jedem Bier das ich trinke, schreibe ich eine Geschichte. Ein südafrikanisches Bier hat mich dazu gebracht, einen Text über einen Zoowärter zu schreiben, der Pinguine aus Südafrika betreut und kurz vor der Pensionierung steht. In dem Sinn: Prost